„Kitas am Limit“ – Corona tobt in NRW Fragen an Minister Dr. Joachim Stamp – Antworten aus dem NRW-Familienministerium

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Mit einem Brandbrief hat sich der Betriebsrat (BR) des VKJ, Verein für Kinder- und Jugendarbeit in sozialen Brennpunkten Ruhrgebiet, bei NRW-Familienminister Dr. Joachim Stamp (FDP) gemeldet. Die BR-Vorsitzende und die stellvertretende BR-Vorsitzende, Sonja Ahrens und Verena Kipar, sind in der Corona-Pandemie der Meinung: „Es reicht!“
Im Januar 2022 waren über 8.400 Beschäftigte und 15.000 Kinder in den Kitas in NRW mit Corona infiziert – und sie sind dem Virus auch weiterhin schutzlos ausgeliefert. Erzieher fallen erkrankt aus, Personalreserven fehlen und dennoch verlassen sich Eltern darauf, ihr Kinder in der Kita abgeben zu können.

Dazu hatten wir Fragen an den NRW-Familienminister Dr. Joachim Stamp (FDP) geschickt. Jetzt erhielten wir die Antworten aus dem NRW-Ministerium für Kinder, Familie, Flüchtlinge und Integration.

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Wann und wie wollen Sie (vor allem in Pandemiezeiten) den Arbeits- und Gesundheitsschutz der Erzieher-Teams in den Kitas stärken?
Grundsätzlich obliegt der Arbeits- und Gesundheitsschutz für die Beschäftigten in Kindertageseinrichtungen den Trägern als Arbeitgeber. Die Landesregierung hat die Träger und Beschäftigten während der Pandemie mit vielen Maßnahmen unterstützt, so beispielsweise mit einem umfangreichen Testangebot bis zum Ende des letzten Kindergartenjahres, dem Kita-Helfer-Programm, einer Arbeitsschutz-Hotline und auch der Ermöglichung priorisierter Impfangebote. Die Pandemie zeigt wie unter einem Brennglas, wie wichtig für Kinder die frühkindlichen Bildungsangebote sind. Ziel bleibt daher, die Angebote für die Kinder und ihre Familien aufrechtzuerhalten und zugleich die Kinder, Beschäftigten und Kindertagespflegepersonen bestmöglich zu schützen. Die Landesregierung beobachtet durchgehend die Lage sowie das Infektionsgeschehen in den Angeboten der Kindertagesbetreuung und ergreift die jeweils erforderlichen Maßnahmen. Es ist aber immer eine Abwägung vieler weiterer Faktoren erforderlich. Dabei müssen die Kinder und ihre Belange und ihr Recht auf Bildung im Mittelpunkt stehen. Es muss darum gehen, dass Kinder auch in der Kindertagesbetreuung ein verlässliches Bildungs- und Betreuungsangebot haben. Für die Angebote der Kindertagesbetreuung in NRW gilt weiterhin die 3G-Regelung, Ausnahmen gibt es bei der Bring- und Abholsituation (siehe offizielle Information zur CoronaBetrVO ab 23.08.2021, unter: www.mkffi.nrw/corona-aktuelle-informationen-fuer-die-kindertagesbetreuung-und-eltern). Nicht immunisierte Beschäftigte und Kindertagespflegepersonen dürfen Kindertagesbetreuungsangebote nur betreten bzw. vorhalten, wenn sie einen negativen Testnachweis über eine höchstens 24 Stunden zurückliegende Testung mittels Antigen-Schnelltest beziehungsweise höchstens 48 Stunden zurückliegende Testung mittels PCR-Test mit sich führen und zur Kontrolle verfügbar halten.

Wann wird die Landesregierung in angemessenere Gehälter und eine ausreichende Personaldecke in NRW-Kitas investieren?
Das Gehalt der Beschäftigten in den Kindertageseinrichtungen liegt in der Verantwortung der Träger als Arbeitgeber. Vor dem Hintergrund der Tarifautonomie obliegt es allein den Tarifpartnern, die Tarifverhandlungen zu führen. Die Landesregierung muss bei Tarifauseinandersetzungen Neutralität wahren. Die Landesregierung hat in den letzten Jahren viel für die Weiterentwicklung der Kindertagesbetreuung in NRW getan. Mit der Reform des Kinderbildungsgesetzes (Kibiz) zum 01.08.2020 wurde eines der wichtigsten Ziele der Landesregierung umgesetzt: die qualitative Weiterentwicklung der frühkindlichen Bildung. Ein besonders wichtiger Schritt für mehr Qualität, ist die Sicherung der Finanzierung. Seit dem Kita-Jahr 2020/21 investiert NRW jährlich zusätzlich rund 1,3 Milliarden Euro an Landes-, kommunalen und Bundesmitteln in die Kindertagesbetreuung. Gemeinsam mit den Kommunen wurde die strukturelle Unterfinanzierung der Kindertageseinrichtungen beseitigt. Allein dafür haben Land und Kommunen gemeinsam rund 750 Millionen Euro eingesetzt. Bis dahin stellte die mangelnde Refinanzierung der Einrichtungen ein großes Problem der Betreuung dar, was etwa Befristungen von Arbeitsverträgen und Einsparungen zulasten des Personals mit sich brachte. Mit dem neuen KiBiz wird so viel Geld zur Verfügung gestellt, dass es den Trägern möglich ist, die im KiBiz hinterlegte Personalausstattung zu finanzieren.

Wie können Sie die Freien Träger z.B. beim zu leistenden Trägeranteil unterstützen, da es in den Corona-Jahren zu so gut wie keinen Kita-Events kommen konnte?
Bei der Festsetzung der jeweiligen Trägeranteile im KiBiz wurde die unterschiedliche Leistungsfähigkeit der einzelnen Trägergruppen berücksichtigt. Die Träger erwirtschaften auf verschiedenen Wegen ihren jeweils zu erbringenden Trägeranteil, dies geschieht nicht nur durch Veranstaltungen, sondern zum Beispiel auch durch Überschüsse aus anderen Geschäftsbereichen oder Spenden. Aufgrund der Corona-Pandemie sind die Träger gefragt, ihre üblichen Wege zu überprüfen und ggf. anzupassen.

Werden die Finanzierungsmöglichkeiten im Kinderbildungsgesetz (KiBiz) NRW an die Pandemiebedingungen angepasst bzw. Rettungspakete eingeplant?
Die Finanzierung der Kindertageseinrichtungen nach dem Kinderbildungsgesetz wurde von Beginn an der Pandemie durch Land und Kommunen weiterhin sichergestellt. Dies gab und gibt auch während der Pandemie die notwendige finanzielle Sicherheit, um die Angebote aufrechterhalten zu können. Entscheidend ist, dass die personelle Mindestausstattung nach dem Kinderbildungsgesetz vorgehalten wird und die übrigen allgemeinen Finanzierungsvoraussetzungen erfüllt werden.

Wie bereiten Sie die Kitas darauf vor, dass jetzt zusätzlich Flüchtlingskinder aus der Ukraine dazu kommen, die Kita-Personaldecke aber nicht nur durch Corona-Krankheitsfälle schon zu dünn ist?
Um geflüchteten Kindern altersgerechte Bildungs- und Integrationsangebote nach ihrer Ankunft zu machen und ihnen gezielte Unterstützung anzubieten, ist die Landesregierung derzeit mit allen Akteuren in einem engen Austausch.
                                                                            Das Interview führte Detlef Leweux