Das Centrum für Translationale Medizin der Medizinischen Klinik I des Marien Hospital Herne – Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum unter der Leitung von Prof. Dr. Nina Babel hat sich in mehreren Forschungsprojekten mit der Immunreaktion des Körpers auf das neuartige Coronavirus beschäftigt. Die Untersuchungsergebnisse könnten einen Einfluss auf die Entwicklung eines Impfstoffes haben und erklären, warum einige Menschen eine starke Immunabwehr gegen das Virus haben – obwohl sie vorher noch nie damit in Kontakt gekommen sind.
„Das Immunsystem ‚erinnert‘ sich an Krankheitserreger, mit denen es schon einmal in Kontakt gekommen ist und löst dann die passende Immunreaktion aus“, erklärt Prof. Babel. Je nachdem, um welche Krankheit es sich handelt, fällt die Abwehrreaktion des Körpers anders aus. Dabei erkennt das Immunsystem nicht die gesamten Erregerzellen, sondern nur bestimmte Proteine des Erregers. In einer Studie konnten Prof. Babel und ihre Kollegen nun gemeinsam mit anderen Forschern der Ruhr-Universität Bochum und des Universitätsklinikums Essen zeigen, dass für die Reaktion auf das neue Coronavirus nicht wie bisher angenommen nur ein, sondern drei verschiedene Proteine des Virus verantwortlich sind. Diese Entdeckung ist sowohl für die Entwicklung von Testverfahren als auch für die Erforschung von Impfstoffen von großer Bedeutung.
Neue Optionen für Impfstoff-Entwicklung
„Wir konnten zeigen, dass neben dem sogenannten Spike-Protein, das bisher im Fokus der Forschung stand, auch zwei andere Proteine des Virus eine Immunantwort auslösen: das Membran- und das Nukleokapsid-Protein“, so Prof. Dr. Timm Westhoff, Direktor der Medizinischen Klinik I. Bei den über 30 im Rahmen der Studie untersuchten Patienten zeigten sich unterschiedliche Reaktionen auf die einzelnen Proteine. Diese fielen für das Membran-Protein im Durchschnitt am stärksten aus. „Daraus lässt sich schließen, dass wir uns bei der Entwicklung von Tests und Impfstoffen nicht allein auf das Spike-Protein konzentrieren sollten“, erläutert Prof. Babel.
Starke Immunantwort aufgrund von Erkältungen?
In einer weiteren Studie untersuchten die Herner Forscher, warum einige Menschen bereits über eine starke Immunantwort auf das neuartige Coronavirus verfügen, obwohl sie vorher noch keinen Kontakt zu dem Erreger hatten. „Das kann nur bedeuten, dass diese Menschen eine Infektion mit einem Erreger hatten, der dem SARS-CoV-2-Erreger sehr ähnlich ist“, erklärt Dr. Ulrik Stervbo, Leiter des Labors des Centrum für Translationale Medizin. Um Ähnlichkeiten festzustellen, verglichen die Wissenschaftler tausende Erreger und deren Proteine mit einem speziell entwickelten Computer-Algorithmus und erstellten eine Rangliste der Erreger, die SARS-CoV-2 am ähnlichsten sind. So konnten sie zeigen, dass mit hoher Wahrscheinlichkeit eine Infektion mit einem anderen Coronavirus-Erreger, beispielsweise im Rahmen einer Erkältung, für die vorhandene Immunreaktion auf Covid-19 verantwortlich sein muss. „Das ist besonders interessant, da nicht viel über die Immunreaktion auf andere Coronaviren bekannt ist – außer, dass wir uns regelmäßig erkälten“, so Prof. Westhoff. Somit könnten aus den Erkenntnissen rund um das neuartige Coronavirus jetzt auch Einblicke in den Umgang mit anderen Coronaviren gewonnen werden.
Foto: Ein Forscher des Zentrum für Translationale Medizin des Marien Hospital Herne bereitet eine Probe aus einer Zellkulturbank für die Untersuchung vor.