Nach der Wiedereröffnung gibt es für Besucher im Museum für Archäologie des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) in Herne Neues zu entdecken: Dank einer App erscheinen mitten in der Dauerausstellung Menschen aus der Vergangenheit. Holografische Vitrinen präsentieren Funde zusätzlich als 3-D-Animationen in Aktion. Ein neu gestalteter Kubus im Zentrum der Ausstellung zeigt, wie sich das Zeitgefühl über Jahrtausende gewandelt hat.
„Vor 18 Jahren trat unser Haus als eines der modernsten Archäologiemuseen in Europa an“, erklärt LWL-Kulturdezenentin Dr. Barbara Rüschoff-Parzinger. „Die Zeit bleibt nicht stehen und die Entwicklung – gerade im digitalen Bereich – sprintet. Daher ist es die Aufgabe unserer Häuser, ihre kuratorische und vermittlerische Praxis mit Blick auf die digitalen Gewohnheiten und Vorlieben ihrer Besucher weiterzuentwickeln.“ Die Zeit des Lockdowns habe das Museumsteam genutzt, um aktuelle Funde aus Westfalen-Lippe einzubringen und die Dauerausstellung gestaltungstechnisch auf den neuesten Stand zu bringen.
Dr. Susanne Jülich, stellvertretende Museumsleiterin und zuständig für die Dauerausstellung:: „Die Einflüsse unserer Besucher auf das Update der Ausstellung waren vielfältig und reichten von klassischen Theatereffekten bis hin zu aktuellen Computerspielen.“
Hintergrund
Die Dauerausstellung im LWL-Archäologiemuseum ist einer Grabungslandschaft nachempfunden, in der die Besucher den Archäolog:innen quasi über die Schulter gucken können. Jülich: „Auf Ausgrabungen finden wir keine Rekonstruktionen von Menschen oder Tieren. Aber genau das ist der Wunsch unserer Besucher. Sie wollen wissen: Wie sahen die Menschen aus? Und: Was sehen Archäolog:innen, wenn sie die Spuren der Vergangenheit lesen?“ Genau diese Fragen beantworten die neuen digitalen Anwendungen in der Dauerausstellung.
Dazu zählen auch die holografischen Vitrinen. Besucher können hier dabei zusehen, wie ein steinzeitlicher Faustkeil, eine römische Öllampe oder eine mittelalterliche Gewandspange aus mehr als 500 Einzelteilen entsteht. Die Animationen offenbaren Geheimnisse vergangenen Handwerks ohne große Worte oder einen langen Text. Jülich: „Forscher schreiben dazu ganze Bücher, wir bauen holografische Vitrinen.“
Dank der Unterstützung durch den Förderverein des LWL-Museums für Archäologie e.V. zeigen sich nicht nur in den Vitrinen virtuelle Animationen, sondern wie aus dem Nichts auch mitten in der Ausstellung. Dank einer App, die sich Besucher:innen auf ihr Smartphone oder Tablet laden können, läuft ihnen im LWL-Archäologiemuseum der Geist einer Bäuerin aus der Jungsteinzeit oder einer mittelalterlichen Ordensschwester über den Weg. „Während die westfälischen Exponate über historische Menschen verschiedener Zeitstellungen Auskunft geben, sind die Geister vertieft in eine für sie typische Tätigkeit“, erklärt Jülich.
„Die Inspiration dazu stammt neben den Anregungen unserer Besucher aus dem Spiel „Pokemon-Go““, so Jülich. Der Hype um das Handyspiel habe dazu beigetragen, dass man dem frühmittelalterlichen Fürsten von Beckum nun beim Schwertputzen zuschauen könne. Jülich: „Selfies sind hier ausdrücklich erwünscht.“
Schwerpunktthemen zeigen sich den Besucher in sogenannten Kuben. Sie erinnern an Zelte auf einer Ausgrabung. André Burmann, wissenschaftlicher Volontär des LWL-Archäologiemuseums, ist mitverantwortlich für die Neukonzeption eines der Kuben: „Die Grabungszelte sollen einen emotionalen Zugang zur archäologischen Forschung verschaffen: mittendrin im Streitgespräch zwischen Fachleuten über den Neandertaler, im Gefecht der Sachsenkriege oder bei der Beschäftigung mit der Zeit.“
Mit neuem Konzept und in moderner Inszenierung präsentiert sich ab sofort der Zeit-Kubus. Monitore, die an Bildschirme von Smartphones erinnern, zeigen unterschiedliche Empfindungen von Zeit sowie Methoden, Zeit zu messen. Ausgewählte Objekte belegen die Bedeutung des Themas. Burmann: „Hier sprechen wir unsere Besucher ganz direkt an, geben Gedankenanstöße zu den spannenden Fragen: Was ist Zeit? Und was heißt Zeit für mich?“
Bild: Inmitten der Dauerausstellung erscheinen plötzlich „Geister aus der Vergangenheit“, hier der Fürst von Beckum.
Quelle: LWL
Foto: Pupeteers GmbH