Prinzipal wird 70: „Für mich bleibt noch viel zu tun“

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Vor zehn Jahren standen die Gäste Schlange, um Prinzipal Christian Stratmann (Foto) bei einer rauschenden Feier zum 60. Geburtstag hochleben zu lassen. In diesem Jahr muss Deutschlands großes Volkstheater am Ehrentag seines Gründers dunkel bleiben. Ein Gefühl der Traurigkeit kommt beim Jubilar aber nicht auf, im Gegenteil: „Ich werde im kleinen Kreis ganz entspannt und nur für mich feiern. Natürlich hätte ich das Fest genossen, aber jetzt bin ich froh, dass mir die Aufregung und der Stress der Vorbereitung erspart bleibt.“ 2022, verspricht der Prinzipal, soll die Feier nachgeholt werden, verrät er im Interview.

? Herr Stratmann, wie haben Sie die vergangenen zehn Jahre erlebt?

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CS: In dieser Zeit ist viel Schönes, aber auch Trauriges geschehen. Ich habe den Mann meines Lebens geheiratet und verloren, wir haben zehn Jahre RevuePalast und 15 Jahre Mondpalast gefeiert. Die zehn Jahre sind in einer ungeheuren Geschwindigkeit an mir vorbeigezogen.

? Mit 70 sind viele Menschen längst im Ruhestand. Wann geht der Prinzipal in Rente?

CS: Rente bekomme ich seit fünf Jahren, aber Ruhestand liegt nicht in meinem Naturell. Natürlich spüre auch ich in meinen Knochen, dass ich 70 bin. Gleichzeitig wünschte ich mir, ich hätte in meinem bisherigen Leben mehr geschafft, deshalb gibt es für mich auch noch so viel zu tun. Schließlich bin ich der geborene Mittelständler, der sich ständig mit Neuem beschäftigt. In Corona-Zeiten habe ich Freunde zuweilen um ihr Seniorenglück beneidet. Sie schickten mir Fotos von verschneiten bayrischen Seen, lauschigen Cafés und romantischen Hütten. Ich weiß aber auch, dass mir diese Rentner-Spaziergänge nach einigen Wochen auf die Nerven gehen würden. Stattdessen hätte ich längst Ideen entwickelt, was man mit den Hütten Tolles anstellen könnte.

? Was war und ist in Ihrem Leben das größte Glück?

CH: Mein größtes Glück ist, dass ich mein Leben so leben kann wie ich es mir wünsche. Ich hätte mir in den prüden 1960ern und 1970ern niemals vorstellen können, dass ich einmal mit dem Mann meines Lebens verheiratet sein würde, dass ich Witwer werden und einen neuen Lebensgefährten finden würde – und alle nehmen es wie selbstverständlich hin.

? Wie haben Sie die Corona-Zeit erlebt?

CH: Der RevuePalast ist seit fast einem Jahr geschlossen, der Mondpalast ist seit November durchgehend zu. Von Anfang an habe ich gesagt, dass ich alles tun werde, damit beide Theater nach der Corona-Krise wieder öffnen. Ich trage Verantwortung für meine Theaterfamilie und bin voller Zuversicht, dass wir es schaffen, auch wenn die versprochenen finanziellen Hilfen noch immer nicht ausgezahlt wurden. Trotzdem bleiben wir kreativ. Sichtbares Zeichen ist die Lichtinstallation „Kanarienvögel“ im Mondpalast-Turm. Kürzlich erst habe ich  habe bei unserem Hausautor Sigi Domke eine neue Komödie in Auftrag gegeben. Sobald wir dürfen, werden wir mit den Proben beginnen. Der Spielplan steht. Wir sind sofort startklar, wenn die Theater wieder öffnen dürfen.

? Was ist Ihr größter Wunsch zum 70. Geburtstag?

CH: Ich wünsche mir zuallererst Gesundheit für mich, meinen Lebensgefährten, meine Familie und meine Mitarbeiter. Gleichzeitig hoffe ich, dass es innerhalb der nächsten Jahre gelingt, den Mondpalast in gute Hände zu übergeben. Irgendwann lässt auch meine Energie nach. Ich könnte mir vorstellen, auch mit 90 noch am Rollator an der Mondpalast-Tür zu stehen, aber nicht die Verantwortung zu tragen. Es wäre schön, wenn ich jemand finden würde, der das Haus im gleichen Geist und mit derselben Leidenschaft als Volkstheater weiterführen und neue Impulse setzen möchte. Ohne Corona wäre ich diesbezüglich längst einen Schritt weiter.

 

Quelle: Mondpalast

Foto: Dieter Pfennigwerth